Das Thema Kiesabbau entfacht in vielen Schweizer Gemeinden heftige Emotionen. Rasch formieren sich jeweils Ja – und Nein-Lager. Thomas Merz, Projektleiter bei der Eberhard AG, hat klare Argumente, die den Nutzen und die Notwendigkeit des Kiesabbaus in den Vordergrund rücken.

Das Interesse an diesem warmen Juniabend ist gross. Die Gemeinde Rüfenach hat ihre Bevölkerung zu einem Informationsanlass eingeladen. Im Detail geht es um den geplanten Kiesabbau «Breiti» am Rande des Dorfes.
Fast 140 Personen haben sich in der Schulturnhalle eingefunden. Die Sitzplätze sind bis zur hintersten Reihe alle besetzt. Während der Präsentation des Gemeinderates ist immer wieder ein Raunen zu hören. Rasch wird klar: Einige Anwesende haben ihre Meinung zum Thema schon gemacht.

Gründe für den Unmut unterscheiden sich kaum
Wirklich überraschend ist das nicht. Vielerorts stossen derartige Projekte auf starken Gegenwind. Die Argumente der Gegner sind überall etwa die gleichen: Kiesabbaugebiete verursachen ein höheres Verkehrsaufkommen, mehr Lärm und Schmutz sowie eine Verschlechterung der Wohnqualität.
Doch stimmt dieses weitverbreitete Narrativ tatsächlich? Und warum sind Bauunternehmen regelrecht auf der Suche nach Kies? Mit diesen Fragen hat sich Thomas Merz, seit 34 Jahren in der Baubranche tätig, oft beschäftigt. Merz ist Projektleiter Ressourcen bei der Eberhard AG in Kloten, dort ist er auch für das umstrittene Kiesabbaugebiet in Rüfenach verantwortlich. Gemäss firmeninternen Berechnungen soll dieses pro Jahr 145’000 Kubikmeter neues Kies erwirtschaften. Zum Vergleich: Für den Bau eines durchschnittlich grossen Einfamilienhauses werden etwa 200 Kubikmeter Kies benötigt.

Die Abwehrhaltung in der Bevölkerung verwundert Merz kaum: «Die Menschen fürchten um ihren Wohlstand und ihr Eigentum. Fatalerweise wird dabei ausgeblendet, dass alle in einem Haus wohnenden Menschen ebenfalls mal gebaut haben. Zudem nutzen wir alle täglich Infrastrukturen wie Strassen, Brücken, Bushaltestellen, Schulen, Spitäler und vieles mehr.» Das seien alles Bauten, die mit Kies und Beton zustande kommen und einen unverzichtbaren Beitrag zum hohen sozialen und wirtschaftlichen Standard beitragen.
Grosse Mehrheit ist nicht betroffen
Merz führt diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf den englischen Ausdruck «NIMBY» – not in my backyard – zurück, was auf deutsch so viel heisst wie «nicht in meiner Nachbarschaft». Angewendet wird der Ausdruck für Bevölkerungsteile, die überregional bedeutsame Infrastruktur zwar grundsätzlich befürworten und auch selbst nutzen, aber deren Errichtung in der Nähe des eigenen Wohnorts aus verschiedenen Gründen als Störfaktor ansehen und daher ablehnen.

Natürlich gibt es auch Exponenten, die Kiesabbaugebieten prinzipiell kritisch gegenüberstehen. Denen versucht der gelernte Hochbauzeichner und Maurer offen und transparent zu erklären, dass eine grosse Mehrheit keine Einschränkungen im Alltag erfährt. «Direkt angrenzende Anwohner haben Einsicht in die Planung des Kiesabbaus und die Wiederauffüllung», sagt Merz. Um den anfallenden Staub und Dreck sowie den zusätzlichen Lärm an der Quelle jeweils so gut wie möglich zu vermeiden seien Bewässerungsmassnahmen, Dammschüttungen und Strassenreinigungen vorgesehen.
Massenentlassungen drohen
Finanzielle Anreize hat ein Kiesabbaugebiet vor allem für die Gemeindeverwaltung, dafür sprechen die hohen Entschädigungen, meist in Millionenhöhe des ausführenden Bauunternehmens. Profitieren davon tun aber ebenso die Einwohnerinnen und Einwohner, die durch die Mehreinnahmen einen tieferen kommunalen Steuerfuss erwarten dürften.
Ein Wegfall von Kiesabbaugebieten hätte dagegen schmerzhafte Folgen, glaubt Merz: «So gehen Arbeitsplätze verloren, die Baukosten steigen immens, was sich negativ auf die Ökologie auswirkt.» Geht es nach Merz ist in der Gesellschaft deshalb ein Umdenken gefragt. Ansonsten könnten ganze Industriezweige in der Schweiz aussterben und die Belastung durch Mehrverkehr und Auslandimporte zunehmen. Das Stimmvolk hat die Wahl.